Post-Streik in Deutschland

 

23.09.2015

 

In Deutschland sind Unternehmer/innen und Politiker/innen seit ein paar Monaten ganz verwirrt. Die Zahl der Streiktage ist zwar immer noch gering, aber sie hat sich in den letzten vier Jahren versechsfacht. Und die Herrschenden sind nichts mehr gewöhnt. Das schöne Leben könnte vorbei sein – diese herrlichen Zeiten, in denen sie offen Rekordprofite machen und gleichzeitig die Arbeitshetze erhöhen, Löhne und Pensionen senken und die öffentlichen Kassen plündern, ohne dass sich jemand dagegen wehrt.

 

Vier Wochen lang haben zum Beispiel die Beschäftigten der Kindertagesstätten für eine dauerhafte Lohnerhöhung gestreikt. Viele Arbeitende von Siemens haben für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze demonstriert. Mehrmals haben auch die Lokführer die Deutsche Bahn lahmgelegt. Sie kämpfen für bessere Löhne und für das Recht, die Gewerkschaft ihrer Wahl aussuchen und mit ihr streiken zu dürfen. An der Charité, dem großen Krankenhaus Berlins, haben 10 Tage lang hunderte Krankenpfleger/innen unbefristet gestreikt für 600 zusätzliche Stellen. An 1.300 Krankenhäusern im Land fanden ebenfalls kleine Protestaktionen gegen den Personalmangel statt. Und bei Amazon kämpft die Belegschaft seit Monaten für bessere Arbeits- und Einkommensbedingungen.

 

Nehmen wir nur das Beispiel vom Post-Streik. Die Post hat vor kurzem eine Tochterfirma für den Paketdienst (Delivery) gegründet, in der sie bis zu 20% weniger Lohn zahlt. Und sie will alle zwingen, die bei der Post einen befristeten Vertrag haben, in diese Tochtergesellschaft zu wechseln.

 

Und für die Post ist Delivery der erste Schritt dahin, alle Löhne dauerhaft zu senken. Alle Paketboten werden zukünftig nur noch über Delivery eingestellt. Und es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis sie Ähnliches bei den Briefträgern und den Postverteilzentren versuchen werden.

 

Der Post-Vorstand hatte gehofft, diese Verschlechterung problemlos durchzusetzen. Das war nicht der Fall. Vier Wochen lang, im April und Mai, haben die Post-Beschäftigten demonstriert, mehrmals gestreikt.
Der Post-Vorstand hat daher entschlossen alles getan, um den Streik zum Scheitern zu bringen. Ohne mit der Wimper zu zucken, hat er dafür zig Gesetze gebrochen. Er hat Beamte und Aushilfen widerrechtlich als Streikbrecher eingesetzt, hat polnische und slowakische Saisonarbeiter/innen in Containern zusammengepfercht und zu der Arbeit der Streikenden verdonnert. Er hat illegale Sonntagsarbeit angeordnet, hat den Streikenden gedroht.

 

Auf der anderen Seite haben zahlreiche Gesetze die Streikenden behindert. Viele durften vom Gesetz her nicht streiken, obwohl sie es wollten: Beamte, aber auch Beschäftigte von Delivery, weil diese ja einen anderen Tarifvertrag (= Kollektivvertrag) haben. Und außerhalb von den offiziellen Tarifrunden über den eigenen Tarifvertrag zu streiken, ist nach deutschem Streikrecht verboten. Während also vor dem Tor die Post-Arbeiter/innen dafür streikten, dass alle Delivery-Arbeiter/innen wieder zur Post kommen und entsprechend höhere Löhne bekommen, mussten diese arbeiten und wider Willen ‚ihren' Streik schwächen!

 

Nach vier Wochen Kampf haben die 30.000 streikenden Arbeiter/innen der Post die Arbeit wieder aufgenommen, ohne dass sie jedoch ihre wichtigste Forderung durchsetzen konnten: Die Billiglohn-Tochterfirma Delivery wird bestehen bleiben.
Wenn man kämpft, gewinnt man nicht immer. Aber nur diejenigen, die nicht kämpfen, verlieren immer. Das ist sicher eine der Lehren, die die Post-Streikenden ziehen müssen: Die Unternehmer/innen halten sich an keine Gesetze. Wenn die Arbeiter/innen dagegen eine Chance haben wollen, dürfen sie sich von den Unternehmern und dem Staat nicht länger die Regeln vorschreiben lassen, nach denen sie kämpfen. Wenn die Idee, dass man nicht immer alles hinnehmen soll, auch bei einem Teil der Arbeitenden in Deutschland anfängt, sich ihren Weg zu bahnen, ist das allein ein Versprechen für die Zukunft.

 

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