12.6.2023
Am 6. Juni wurde Andreas Babler als neuer SPÖ-Vorsitzender bestätigt. Viele seiner Äußerungen deuten auf ein Programm hin, das für die Lohnabhängigen und die breite Bevölkerung positiv klingt. So spricht er sich unter anderem für die 32-Stunden-Woche, Preisgrenzen in den Bereichen Energie und Wohnen, mehr Ganztagsschulen und -kindergärten, neue Gemeindebauten, höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen generell und besonders für Pflegekräfte, bessere Unterbringung von Asylwerbern, eine Millionärs- und Erbschaftssteuer aus.
Man kann nur zustimmen, wenn er die Propaganda der Fremdenfeindlichkeit durchbricht und betont, dass so viele Arbeitskräfte, die nicht in Österreich geboren wurden, essenzielle Arbeit leisten, ohne die das Land nicht funktionieren würde. Und dass eine Arbeitszeitverkürzung sehr wohl leistbar ist, sie aber daran scheitert, dass die Aktionäre sich immer mehr Gewinne in ihren Taschen sichern wollen. Alle Parteien von FPÖ bis ÖVP, Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung, die ihn deshalb angreifen, tun das nur, weil sie mit aller Kraft die Profitmaximierung der Konzerne auf Kosten der arbeitenden Bevölkerung verteidigen.
Babler schlägt in letzter Zeit selten gehörte Töne in der SPÖ an, und sagt, dass die Arbeitenden keine Bittsteller sind, sondern sie mit erhobenem Kopf ihre Rechte einfordern können. Diese ungewöhnliche Radikalität ist zweifellos ein Zeugnis dafür, dass solche Ideen mehr Resonanz in der arbeitenden Bevölkerung haben. Und gut so!
Aber es fehlt das Wichtigste: Wie kann so ein Programm tatsächlich verwirklicht werden? Denn es wäre eine Illusion, zu denken, dass einfach nur ein Babler an der Regierung, auch mit den besten Absichten, viel gegen die Interessen der Kapitalisten und der Superreichen unternehmen könnte. Diese Leute beziehen ihre Macht nicht aus dem Parlament. Niemand hat sie gewählt, aber sie sind trotzdem imstande, Betriebe auf- oder zuzusperren, über Existenzen zu entscheiden, darüber ob jemand einen Job oder eine Wohnung hat, ihr Geld da zu investieren, wo es am meisten Profit bringt. Und wie oft haben Kapitalisten Politiker bestochen oder erpresst, oder über andere Kanäle Druck ausgeübt? In seinem weltbekannten Video erzählt der ehemalige Vizekanzler Strache darüber.
Und wenn das nicht genügt, verfügen die Großkonzerne über maßgeschneiderte Gesetze und einen ganzen Staatsapparat, Richter, hohe Staatsbeamte, deren eigentliche Funktion es ist, ihnen das Geschäft und die Bereicherung zu ermöglichen und zu erleichtern. Und es funktioniert, wie es jeder neue Profitrekord bei den meisten Großbetrieben immer wieder beweist.
Gegen solche Macht aufzutreten und sich das nötige Geld zu holen, das für die einfache Bevölkerung nötig ist, bedeutet also viel mehr als nur den „Richtigen” zu wählen. Vor ein paar Jahren trat auch Alfred Gusenbauer, der Sohn eines Bauarbeiters und einer Reinigungskraft, radikal auf. Jetzt sitzt er in diversen Aufsichtsräten von Strabag bis zur Signa-Gruppe, die für den Jobverlust von 6.000 Arbeitenden von Galeria Kaufhof in Deutschland und Kika/Leiner in Österreich verantwortlich ist. Außerdem war es die SPÖ selbst, die 1993 die Vermögenssteuer abgeschafft hat, die sie jetzt fordert.
Die SPÖ hat sich seit langem in eine Partei verwandelt, die tiefe Verbindungen mit dem Kapital hat. Die Arbeitenden sollen höchstens mit kleinen Reförmchen davon abgelenkt und ihre Wut gedämpft werden, dass der Profit geschützt bleibt, egal, wie ihr/e Vorsitzende/r heißt.
Gegen die Kapitalisten reichen also starke Worte nicht: Das einzige, das eine Gegenkraft ist, ist nicht die SPÖ, sondern die Arbeiter/innenklasse selbst, wenn sie bereit ist, gemeinsam ihre Kraft und unentbehrliche Stellung in der Produktion in die Waagschale zu werfen und sich wieder zusammentut, organisiert. Das ist eine Perspektive, die über die Wahl eines „guten“ Kanzlers hinausgeht, aber es ist die einzige, die es der Arbeiterschaft ermöglichen kann, sich wirksam zu verteidigen und all den Angriffen entgegenzutreten, die die Kapitalisten vorbereiten, um ihre Profite trotz der Entwicklung der Wirtschaftskrise zu sichern.