Von Lutte Ouvrière (Frankreich) herausgegeben
Vegetarismus, Veganismus und Antispeziezismus: zum menschlichen Mitgefühl gegenüber dem Leiden der Tiere
Das Los der Tiere spielt in letzter Zeit eine große Rolle. Es erscheinen schockierende Videos über die Bedingungen auf den Schlachthöfen, Enthüllungsstorys prangern die Machenschaften der Lebensmittelkonzerne an. Und vielfach werden die Ernährungs- und zum Teil die Kleidungsgewohnheiten infrage gestellt.
Der Verein "L214 Ethik und Tiere" ist ein gutes Beispiel für den Aufschwung, den die Tierrechtsbewegung in den letzten Jahren erhalten hat. Diesen Verein, dessen Fotos und Videos misshandelter Tiere große Verbreitung gefunden haben, gibt es erst seit 2008. Und wie einer ihrer Verantwortlichen anlässlich einer Demonstration gegen die Schlachtung von trächtigen Kühen, zu der mehrere hundert Personen gekommen waren und die Anklang in der Presse fand, den Pressevertretern gegenüber bemerkte: "Vor zehn Jahren wären wir bei einer Aktion wie dieser nur zu zehnt gewesen, und wir wären den ganzen Nachmittag ausgelacht worden."
Gestützt auf diese Sensibilisierung eines Teils der Bevölkerung haben vor einigen Monaten eine Reihe bekannter Persönlichkeit aus der Welt des Films, der Medien und der Schriftsteller ein Plädoyer für den Veganismus veröffentlicht. Sie vertraten darin die Idee, man solle sich rein pflanzlich ernähren und keine Produkte mehr konsumieren, die auf der Ausbeutung von Tieren beruhen, wie Wollpullover, Lederschuhe oder auch Bienenhonig.
Wie in den anderen reichen Ländern hat sich auch hier eine regelrechte Bewegung entwickelt, die hauptsächlich im Kleinbürgertum verbreitet ist und ebenfalls viel Anklang in der Jugend findet.
Auf das Leiden der Tiere Rücksicht nehmen
Die Vorstellungen von den Beziehungen zwischen Menschen und Tieren haben sich beständig verändert, sowohl was die philosophischen und wissenschaftlichen Auffassungen betrifft wie auch die Gefühle der Mehrheit der Menschen. Bis ins 18. Jahrhundert waren in Europa selbst die fortschrittlichsten Denker der Ansicht, dass die Einzigartigkeit des Menschen gegenüber dem Tierreich darin bestünde, dass nur der Mensch eine Seele habe. Die ersten Materialisten des 18. Jahrhunderts wagten sich vorzustellen, dass einzig die Materie und deren Organisation nicht nur alles Leben, sondern auch das Denken hervorbringen könnte. Auf diese Weise haben sie wieder eine Verbindung zwischen den Menschen und allen anderen Lebewesen hergestellt. Anschließend hat Darwin, mit der Entdeckung der Evolution der Arten, das präzise wissenschaftliche Fundament dieser Vorstellung von einer Einheit der Lebewesen gegeben. Vom 19. Jahrhundert an begannen in den industriell am weitesten entwickelten Städten und Ländern andere Gefühle gegenüber Tieren aufzukommen - angefangen bei Großbritannien, wo 1825 das erste Tierschutzgesetz verabschiedet wurde. Diese Gefühle ihrerseits stärkten das wissenschaftliche Interesse an der Erforschung der Verhaltensweisen der Tiere.
Heute ermöglichen uns die wissenschaftlichen Erkenntnisse, das Empfinden der verschiedenen Tierarten zu verstehen, indem wir ihre Nervensysteme verstehen. Wir wissen, dass einige Tierarten eine Sprache haben, die sogar sehr ausgefeilt sein kann. Und dass die am weitesten entwickelten Tierarten, wie die Menschenaffen, über ein Bewusstsein ihrer selbst verfügen − und damit auch über ein Bewusstsein der Anderen und Mitleid für das Leiden anderer. Der Primatologe Franz de Waal hat erzählt, dass er einen weiblichen Bonobo (einer mit den Schimpansen eng verwandten Art) beobachtet hat, wie sie einem verletzten Vogel geholfen, sich aus dem Gefängnis des Zoos zu befreien, in dem sie selber eingesperrt war. Aber von allen Tierarten hat der Mensch das abstrakte Denken mit Abstand am weitesten entwickelt, und dieses Denken ist die Grundlage unserer gesamten gesellschaftlichen Entwicklung. Und unser Mitgefühl für das Leiden anderer bis hin zu unserem Mitgefühl für das Leiden anderer Tierarten, dieser Respekt für den Anderen und das Leben im Allgemeinen, ist in erster Linie Ausdruck unserer Fähigkeit, uns dank unseres abstrakten Denkens in den Anderen hineinversetzen zu können.
Diese Fähigkeit ist auch die Grundlage für den menschlichen Wissenshunger und folglich für den wissenschaftlichen Fortschritt. Im Gegenzug hat dieser wissenschaftliche Fortschritt ständig unser Verständnis der Welt erweitert. So wurde sich die Menschheit der Notwendigkeit bewusst, dass sie für ihre Umwelt und die Folgen ihres Handelns verantwortlich ist. Auf das Leiden der Tiere Rücksicht zu nehmen, ist Teil dieser Sorge und dieses Bewusstseins. Das ist eine grundlegend fortschrittliche Sorge und es ist gut, dass solche Art von Problemen aufkommt.
Die Marxisten, angefangen bei Marx selber, haben im Menschen schon immer ein Produkt der Natur gesehen, schon bevor der Darwinismus sich als Konzept durchsetzte. Und die marxistische Philosophie hat immer die Meinung vertreten, dass die Menschheit die Natur und all ihre Lebensformen respektieren müsse. Nicht aufgrund mystischer Ansichten sondern in dem Bewusstsein, dass unser Schicksal mit dem der Natur verbunden ist. Marx fasste dies im Kapital in den folgenden Worten zusammen: "Selbst eine ganze Gesellschaft, eine Nation, ja alle Gesellschaften zusammengenommen, sind nicht Eigentümer der Erde. Sie sind nur ihre Besitzer, ihre Nutznießer, und haben sie als boni patres familias - gute Falimienväter -den nachfolgenden Generationen verbessert zu hinterlassen." (Kapital Band 3, 6. Abschnitt, 46. Kapitel)
Aber obwohl die Menschheit ein immer ausgeprägteres Bewusstsein von dem hat, was getan werden müsste, ist sie von ihrer Gesellschaftsordnung gelähmt. Die kapitalistische Wirtschaft, die auf dem Privateigentum an den Produktionsmitteln und der unantastbaren Konkurrenz beruht, verhindert, dass alle Maßnahmen und Handlungen gemeinschaftlich geplant werden können − und damit auch, dass sie beherrscht und die Folgen dieser Handlungen kontrolliert werden können. Und man ignoriert das Wesentliche, wenn man sich dieses entscheidenden Hindernisses für den menschlichen Fortschritt und für ein harmonisches Zusammenspiel von menschlichen Handlungen und Umwelt, zu der auch die Tierwelt gehört, nicht bewusst wird. Umso mehr, da die kapitalistische Gesellschaftsordnung jede wirtschaftliche Organisation und jede Produktion auf ihr Streben nach Profit ausrichtet. Nichts kann ihm entkommen, nicht die Produktion von Nahrungsmitteln und selbstverständlich ebenso wenig die Bedingungen, unter denen die Tiere gezüchtet und geschlachtet werden.
Die Gewinne der Lebensmittelkonzerne - auf Kosten der Tiere und der Menschen
Im März 2016 zeigte ein Video, das von dem Verein L214 mit versteckter Kamera in einem baskischen Schlachthof aufgenommen worden war, wie einigen Tieren die Kehle durchgeschnitten wurden und sie ausbluteten, obwohl sie noch bei Bewusstsein waren, was illegal ist. Die Regierung versprach daraufhin die Durchführung systematischer Inspektionen in allen Schlachthöfen. In der folgenden Zeit veröffentlichte derselbe Verein weitere heimlich gefilmte Videos, die die Schlachtbedingungen von Rindern, Schafen, Schweinen und Pferden öffentlich machten.
Dem Verein ging es darum, etwas gegen die Schlachtung von Tieren zu unternehmen. Doch was diese Videos auch zeigen, sind die Arbeitsbedingungen in den Schlachthöfen: Es ist entmenschlichende Fließbandarbeit, wie sie in vielen Fabriken der unterschiedlichsten Branchen an der Tagesordnung ist. Eine Arbeit, die für die Arbeiter vielleicht noch härter und brutaler ist als anderswo, eben wegen dem Leiden und Töten der Tiere. Darüber hat weder der Verein noch die Presse gesprochen. Dabei liegt hier ein ganzer Teil des Problems. Die Bedingungen für die Tiere in den landwirtschaftlichen Zuchtbetrieben und Schlachthöfen sind genau wie die der Arbeiter dem Profitstreben der Kapitalisten unterworfen. Ganz direkt in den privatwirtschaftlichen Schlachthöfen, indirekt in den öffentlichen Schlachthöfen, wo die Sparmaßnahmen des Staates einen ähnlichen Druck erzeugen. Und wie könnte es anders sein? Kann man sich vorstellen, dass ein multinationaler Lebensmittelkonzern aus Sorge um das Leid der Tiere bereit ist, seine Gewinne oder seinen Marktanteil zu schmälern? Kann man sich vorstellen, dass eine Regierung, die ständig bei öffentlichen Diensten wie den Krankenhäusern spart - mit all den damit verbundenen kriminellen Folgen - dass eine solche Regierung mit dem amtlichen Veterinärdienst, der für die Kontrollen in den Schlachthöfen zuständig ist, anders verfährt? Selbst wenn man einzig das Leiden der Tiere im Blick hat, bedeutet die entscheidende Rolle des Profitstrebens nicht zu sehen, dass man den wahren Ursachen der Misshandlungen ausweicht. Mit der Folge, dass einige, statt das Problem anzugehen, über die derzeitige Organisation der Wirtschaft und der Gesellschaft nachzudenken und sie grundsätzlich infrage zu stellen, sich lieber dem Vegetarismus, ja sogar dem Veganismus zuwenden.
Vegetarismus und Veganismus: von der individuellen Geste zu malthusianischen Vorstellungen
Fleisch zu essen oder nicht, ist eine persönliche Entscheidung, die extrem unterschiedliche Gründe haben kann, wie gesundheitliche Probleme oder auch Ernährungsgewohnheiten. Es gibt außerdem hunderte Millionen Menschen, die aus der einfachen Tatsache heraus Vegetarier sind, das Fleisch für sie unerreichbar ist. Doch es gibt auch diejenigen, die Vegetarier sind aus Protest gegen die Zustände in den Schlachthöfen oder weil sie es falsch finden, Tiere zu töten, um sich von ihnen zu ernähren. Veganer sind Vegetarier, die nicht nur kein Fleisch essen, sondern jedweden Konsum von Produkten ablehnen, für deren Herstellung man Tiere ausbeutet.
Diese individuelle Geste klingt wie eine konsequente Lebenseinstellung. Und wenn man rein das Leiden der Tiere betrachtet, ist sie es auch. Doch wenn man sie mit etwas Abstand betrachtet, ist diese Vorgehensweise lächerlich, auch als Form von Protest.
Wer es ablehnt, Fleisch zu essen, muss sich dennoch von irgendetwas ernähren. Doch welche Lebensmittelherstellung ist nicht von Unterdrückung und Ausbeutung beschmutzt? Zugegeben, das Obst und Gemüse leidet nicht. Aber dafür die, die es anbauen und ernten. Auch da haben Videos schockierende Sachen aufgedeckt. Reportagen haben beispielsweise die brutale Ausbeutung maghrebinischer Arbeitende, im Wesentlichen Frauen, in den Gewächshäusern Südspaniens gezeigt, und die rassistische und chauvinistische Stimmung, die dort herrscht. Selbst in Frankreich ist eine fürchterliche Ausbeutung der Landarbeiter, die meist Immigranten sind, die Regel. Und wie sieht es mit den Arbeitsbedingungen in den übrigen Fabriken der Lebensmittelindustrie aus? Sie sind kaum besser als in den Schlachthöfen!
Was nun die betrifft, die alle Produkte tierischer Ausbeutung ablehnen, wie Kleidung aus Wolle oder Leinen, so scheinen dieselben der Ausbeutung der Menschen wenig Beachtung zu schenken. Der Einsturz des Rana Plaza in Bangladesch am 24. April 2013, bei dem 1.138 Menschen starben und über 2.000 verletzt wurden, hat der Weltöffentlichkeit die Arbeitsbedingungen offenbart, die in den Subunternehmen vieler weltweit bekannter Marken der Textilbranche herrschen. Und man könnte zahlreiche weitere Beispiele anführen. Denn alles, was in dieser kapitalistischen Gesellschaft produziert wird, wird von den Arbeitenden, von Arbeitern, Angestellten und kleinen Bauern hergestellt, von denen hunderte Millionen, um zu überleben, keine andere Wahl haben, als sich in einer Fabrik, einem Hafen, einem Lagerhaus, auf einem Feld ausbeuten zu lassen... und deren Leben in den Augen ihrer Ausbeuter zum Teil nicht mehr wert ist als das eines Haustiers.
Vor einigen Jahren gab es hier in den reichen Ländern eine echte Bewegung, die die schreckliche Ausbeutung in den armen Ländern anprangerte, angefangen bei der Kinderarbeit. Aber aus dem einen oder anderen Grund scheint es so, dass in der heutigen Zeit, die von Rückschritt und Entmutigung geprägt ist, vielen der Kampf gegen die Ausbeutung zu riesig scheint. Und dass eine gewisse öffentliche Meinung sich entschieden hat, sich mit einer Sache zu begnügen, die erreichbarer und leichter anzuprangern scheint, wie eben die Rechte der Tiere.
Das ändert jedoch nichts daran, dass die gesamte Weltwirtschaft auf der Ausbeutung beruht. Von ihrer barbarischsten Form, wie sie in den Diamantminen Afrikas existiert, bis hin zu ihrer modernsten und ausgeklügeltesten Form, die aber ebenso mörderisch sein kann. Die Netze, die Foxconn (einem Subunternehmen von Apple in China) aufgehängt hat, um Selbstmorde zu verhindern, waren hierfür ein frappierendes Beispiel, das um die Welt gegangen ist. Man kann nicht außerhalb dieses Ausbeutungssystems leben, aber man darf sich auch nicht damit abfinden. Im Gegenteil, man muss das System in seiner Gesamtheit bekämpfen. Wir führen unseren Kampf nicht gegen diesen oder jenen schändlichen Aspekt der kapitalistischen Wirtschaft, sondern wir führen ihn als revolutionäre Kommunisten. Im Namen des weltweiten Kampfes gegen diese Ausbeutergesellschaft, für die Emanzipation der Unterdrückten und für den Aufbau einer kommunistischen Gesellschaft, die in der Lage ist, die Produktion im weltweiten Maßstab demokratisch zu organisieren und sie zu planen unter der Berücksichtigung der Bedürfnisse aller.
Letztlich gibt esTeile dieser Strömung, die von denen, die über die Zustände in den Schlachthöfen schockiert sind, bis hin zu den striktesten Anhängern des Veganismus reichen, die die Theorie aufstellen, dass man heute jedwede Fleisch- oder Fischproduktion einstellen müsse. Wer das vertritt, den interessieren die hunderte Millionen, ja sogar Milliarden Menschen nicht, die nicht genug zu essen haben oder gar an Unterernährung leiden. Das ist keine individuelle Geste mehr, sondern ein politisches Engagement, und zwar auf wirklich reaktionärer Grundlage. Diese Theorien wärmen im Grunde nur die alten Vorstellungen des englischen Pfarrers Malthus wieder auf. Anfang des 19. Jahrhunderts, also als die industrielle Revolution so viele englische Arbeiter ins Elend schleuderte, fand Malthus, dass es zu viele Arme zu ernähren gäbe und es das Natürlichste wäre, sie sterben zu lassen. Natürlich sind nicht alle Vegetarier Malthusianer. Und die meisten derjenigen, die mit dem Leid der Tiere mitfühlen, sind auch sensibel für das menschliche Leid... aber nicht alle.
Der Antispeziezismus, eine Theorie in Mode, aber ohne jede Grundlage
Eine Theorie, die unter Veganern in Mode gekommen ist, ist der "Antispeziezismus". Dieser Begriff wurde in den 1970er Jahren erfunden und ist eine Ausweitung der Idee des Antirassismus. Laut ihren Anhängern würden die Menschen die Tiere ausbeuten, weil sie sie als minderwertig ansehen. Dies wäre "Speziezismus" und wie beim Rassismus die Geringschätzung einer Rasse durch eine andere.
Diese Gleichsetzung mit dem Rassismus hilft absolut nicht, klar zu sehen. Zunächst einmal haben alle wissenschaftlichen Erkenntnisse gezeigt, dass es bei den Menschen keine Rassen gibt. Die Menschheit ist biologisch eins, sie ist unteilbar. Im Gegensatz dazu aber gibt es soziale Klassen, Unterdrücker und Unterdrückte. Der Rassismus ist kein Produkt eines Gegensatzes verschiedener Rassen, sondern ein Produkt des Kampfes zwischen den verschiedenen sozialen Klassen. Der Rassismus ist eine Ideologie, die den Unterdrückern hilft, die Unterdrückten zu spalten, nach ihrer geographischen Herkunft, ihrer Hautfarbe, ihrer Religion, oder welcher anderen Vorwände es auch immer sein mögen ... Zwischen den Tierarten gibt es keinen Klassenkampf, und auch keinen Kampf zwischen den verschiedenen Arten. Es gibt die Evolution. Und wenn man sich über die Beziehungen zwischen Menschen und Tieren Gedanken machen möchte, dann sollte man sich die biologische und soziale Evolution der menschlichen Spezies anschauen.
Die allergrößte Zeit ihrer Geschichte hat sich die Menschheit gegenüber dem Tierreich genau so verhalten wie die verschiedenen Tierarten untereinander. Die Ahnen der Menschen waren zunächst Aasfresser, die sich von Tierkadavern ernährten. Dann hat die biologische Evolution die menschliche Spezies verändert. Ausgerüstet mit Waffen und Werkzeugen die sie in der Lage waren herzustellen, sind die Menschen Jäger geworden, das heißt Raubtiere, wie so viele andere Tierarten. Zu guter Letzt ist die soziale Evolution an die Stelle der biologischen Evolution getreten und die Menschheit hat angefangen, ihre ersten Fähigkeiten und ihre ersten Wissensbestände zusammenzutragen. Und an mehreren Orten auf der Welt haben Menschen, die ersten vor rund zehntausend Jahren, unabhängig voneinander die Möglichkeit entdeckt, Tiere zu zähmen und Pflanzen anzubauen. Von Raubtieren sind die Menschen damit zu Produzenten geworden. Diese entscheidende Etappe der Menschheitsgeschichte beruht auf dem Zähmen und Züchten von Tieren. Doch es macht überhaupt keinen Sinn, dies zu bedauern. Diese grundlegende Etappe hat auch die Spaltung der Gesellschaft in Klassen mit sich gebracht, die soziale Ungleichheit und sogar die Entwicklung der Sklaverei und der Kriege. Aber diese fantastische Umwälzung, der zahlreiche Anthropologen nicht umsonst den Namen neolithische Revolution gegeben haben, war der Grundstein für das Erblühen der menschlichen Zivilisation.
Könnte die Menschheit nun, zehntausend Jahre später, auf die Viehzucht verzichten? Heute, wo mehrere Milliarden Menschen nicht genug zu essen haben, ganz offensichtlich nicht. Was aber wird die Zukunft bringen? Wie wird die Menschheit sich ernähren? Wie werden dann die Beziehungen zwischen Menschen und Tieren sein? Dies sind legitime Fragen. Aber es bleibt zu hoffen, dass sich die Menschheit auch von den sozialen Ungleichheiten und der irrsinnigen kapitalistischen Wirtschaftsordnung befreien wird, die auf Konkurrenz und dem Streben nach maximalem Profit basiert. Wozu wird eine Menschheit in der Lage sein, wenn sie die hochentwickelten Produktivkräfte in einer weltweit demokratisch geplanten Wirtschaft nutzen kann? Das ist unvorhersehbar, denn die Möglichkeiten, die sich damit eröffnen, sind immens.
Das Mitgefühl für das Leiden der Tiere ist ein tiefgehend menschliches Gefühl. Denn es ist eine grundlegende menschliche Eigenschaft, von dem Leiden anderer berührt zu werden und fähig zu sein, sich in andere hineinzuversetzen, auch in Tiere. Und diese Art selbstloser Gefühle muss einen dazu bringen, die heutige Welt in ihrer Gesamtheit verstehen zu wollen. Denn zu verstehen, dass die Menschheit sich heute in Widersprüche verstrickt, in denen eine winzig kleine ausbeuterische Minderheit ihre Herrschaftsposition ausnutzt, um die Gesellschaft zu erdrosseln, ist der Schlüssel für viele Probleme.
Dieses Verständnis kann einen dazu bringen, bewusst den Kampf gegen das derzeitige kapitalistische System führen zu wollen, sprich dafür, die herrschende Klasse zu enteignen und die Weltwirtschaft in den Dienst aller zu stellen. Das ist Kommunismus. Das ist sicher keine Lösung für alle Probleme. Aber es ist das einzige Mittel, damit die Menschheit endlich in der Lage ist, ihre eigene Gesellschaft, das Ergebnis ihrer eigenen Handlungen zu beherrschen. Es ist das einzige Mittel, damit die Menschheit endlich bewusst über alle Konsequenzen ihres Handelns entscheiden kann - bis hin zu ihrer Ernährungsweise und ihren Beziehungen zum Rest der Tierwelt.
(aus Lutte de Classe - Klassenkampf - von Februar 2017)